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(Aargauer Zeitung 25.10.2013)

Der Kammerchor Baden und der Kirchdorfer Chor Coro Sonoro präsentieren ein Werk, das der Komponist nach einer Nahtoderfahrung schrieb. von Florian Zimmermann
 
Ein geheimnisvoller, fast unheimlicher Klang entsteht, wenn der hundertköpfige Chor leise zu singen beginnt. Das unverständliche Gemurmel wird zu klaren Worten, die immer lauter werden. Durch das Einsetzen der Trompeten, Posaunen und Saxofone steigert sich das Crescendo bis zum brachialen Fortissimo, das den Zuschauer erschaudern lässt. «So klingt die ernsthafte Auseinandersetzung eines Jazzers mit der Totenmesse», sagt Renato Botti, der die Schweizer Erstaufführung des Werks «Requiem für Chor und Big Band» dirigieren wird.

«Jazz in einem neuen Licht»
Der Kammerchor Baden präsentiert zusammen mit dem Chor Coro Sonoro aus Kirchdorf und dem Lucerne Jazz Orchestra am Samstag das Werk vom englischen Komponisten Steve Gray im Trafo Baden. Seit Januar proben die beiden Chöre für die Aufführung. «Das Verstehen des Werks brauchte seine Zeit», sagt Botti. Zu Beginn hätten sich viele Sängerinnen und Sänger die Mischung von sakraler Musik und dem Sound einer Big Band kaum vorstellen können. Es dauere eine Weile, bis die Handschrift von Gray bemerkt werde. «Jetzt spüre ich die Begeisterung, die durch die vielen Proben entstanden ist.» Für Botti ist es eine unkonventionelle, aber gelungene Totenmesse: «Das Werk stellt den Jazz in ein neues Licht. Der Klassiker hört Vertrautes, wird aber immer wieder überrascht und wachgerüttelt.» Für Gray sei die Komposition ein mutiger Schritt gewesen, sagt Botti: «Es ist immer heikel, zwei Genres zu vermischen.»
 
Der Komponist hatte 2003 das Werk für den Norddeutschen Rundfunk komponiert. Während der Arbeit verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. So schrieb er Teile des Stücks in der kardiologischen Station eines Krankenhauses. Diese Nahtoderfahrung spüre der Zuhörer im Werk deutlich: «Das Licht als Wort und dessen musikalische Darstellung zieht sich durch das gesamte Werk», sagt Botti. Obwohl sich Grays Gesundheitszustand wieder verbesserte, starb er 2008 unerwartet. Seine Witwe Heather Gray wird an der Aufführung in Luzern anwesend sein. Botti freut sich auf die Vorstellungen: «Ich wünsche mir, dass das Publikum Grays Musik versteht und unsere Begeisterung bei ihnen ankommt.»